Handelsgerichte in Frankreich (Tribunal de commerce) sind erstinstanzliche Gerichte und vollkommen unabhängig von anderen Gerichten. Im Gegensatz zu Deutschland bestehen die französischen Handelsgerichte ausschließlich aus Laienrichtern, den sog. „juges consulaires“. Es handelt sich dabei um Kaufleute, Unternehmensvertreter etc. die von ihresgleichen gewählt werden.
Die sachliche Zuständigkeit der französischen Handelsgerichte ergibt sich aus Art. L. 721-3 des französischen Handelsgesetzbuches (code de commerce) und aus anderen Gesetzen. Danach sind französische Handelsgerichte insbesondere zuständig für:
- Streitigkeiten zwischen Kaufleuten.
- Streitigkeiten zwischen Gesellschaftern.
- Streitigkeiten zwischen Gesellschaften.
- Streitigkeiten über Handelsgeschäfte.
- Streitigkeiten zwischen einem Kaufmann und einem Nicht-Kaufmann: Ist der Kläger ein Nicht-Kaufmann und der Beklage ein Kaufmann hat der Kläger die Wahl entweder das Handelsgericht oder das sachlich zuständige Zivilgericht (Tribunal d’Instance[1] oder Tribunal de Grande Instance[2]) anzurufen. Umgekehrt kann der klagende Kaufmann in einem Verfahren gegen einen Nicht-Kaufmann nur die normalen Zivilgerichte mit der Sache befassen.
- Insolvenzverfahren (Sanierungsverfahren – procédure de redressement judiciaire- und Liquidationsverfahren – procédure de liquidation judiciaire).
Die Handelsgerichte entscheiden im Rahmen der ihnen zugesprochenen sachlichen Kompetenzen auch im europäischen Mahnverfahren gemäß der EU-Verordnung Nr. 1896/2006 vom 12.12.2006 und im europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen gemäß der EU-Verordnung Nr. 861/2007 vom 11.7.2007. Es gibt in Frankreich also kein, wie etwa in Deutschland, zentrales Mahngericht.
Immer dann, wenn das Gesetz Sonderzuständigkeiten vorsieht, wie z.B. für das Arbeitsgericht, das Tribunal de Grande Instance, für Verkehrsunfälle, für Pachtverträge, für Markenzeichen und Patente etc. ist die Zuständigkeit der Handelsgerichte ausgeschlossen.
Hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit der Handelsgericht in Frankreich ist auf die allgemeinen Vorschriften der Art. 42 – 48 der französischen Zivilprozessordnung (nouveau code de procédure civile) zurückzugreifen. Danach ist grundsätzlich das Gericht des Wohnsitzes bzw. des Gesellschaftssitzes des Beklagten zuständig. Eine andere örtliche Zuständigkeit kann sich aufgrund Sonderregeln ergeben.
Auch für die Ernenenung von Sachverständigen im Rahmen von selbständigen Beweisverfahren sind die Handelsgerichte zuständig. Selbst wenn für das Hauptsachverfahren möglicherweise ein Gericht eines anderen Mitgliedsstaates zuständig ist, so können einstweilige Massnahmen einschliesslich Sicherungsmassnahmen gem. Art. 35 der Brüssel Ia-VO von französischen Gerichten entschieden werden. Die Kanzlei P & G Rechtsanwälte hat im Bereich von (technischen) Beweisverfahren eine langjährige Erfahrung und betreut dabei zahlreiche deutschsprachige Unternehmen.
Grundsätzlich gibt es in jedem Departement ein oder mehrere Handelsgerichte. Wenn es ausnahmsweise kein Handelsgericht geben sollte, entscheidet das Tribunal de Grande Instance. In den elsässischen Departements Haut-Rhin und Bas-Rhin und im lothringischen Departement La Moselle gibt es schon aus historischen Gründen entsprechend dem deutschen System spezielle Handelskammern beim Tribunal de Grande Instance, die mit einem Berufsrichter und zwei Laienrichtern besetzt sind.
Vor den französischen Handelsgerichten besteht grundsätzlich kein Anwaltszwang, wobei jedoch in der Praxis in den meisten Fällen die Parteien anwaltlich vertreten sind.
Gegen die Entscheidung eines Handelsgerichtes kann Berufung vor die zuständige Cour d’appel (Berufungsgericht) eingelegt werden, vorausgesetzt der Streitwert ist höher als 4.000 Euro. Bei darunterliegenden Streitwerten ist eine Revision (pourvoi en cassation) vor die Cour de cassation (höchstes französisches Gericht in Zivil- und Strafsachen) möglich, wobei in diesem Fall jedoch nur rechtliche Rügen verfolgt werden können. Sowohl das Berufungsgericht als auch das Revisionsbesteht bestehen nur aus Berufsrichtern.
Die Geschäftsstellen der französischen Handelsgerichte sind für die Ausfertigung der Entscheidungen des Gerichts zuständig. Darüber hinaus wird dort auch das Handelsregister geführt.
Jeder Geschäftsstelle steht ein Urkundsbeamter („officier public et ministériel“) vor, der Eigentümer der Geschäftsstelle ist und einen freien Beruf ausübt.
[1] Tribunal d‘Instance wird oft mit Amtsgericht übersetzt, zu diesem jedoch oft erhebliche Unterschiede aufweist.
[2] Tribunal de Grande Instance wird meist mit Landgericht übersetzt, wobei auch hier die Kompetenzen zum Teil sehr unterschiedlich sind.